Spazierengehen in der freien Wildbahn

In diesen ungewissen Zeiten ist die Freizeitgestaltung aufgrund mangelnden Kulturangebotes und fehlender Möglichkeiten, im Straßencafe herumzulümmeln, in gewisser Weise eingeschränkt. Viele Mitbürger zieht es deshalb in die freie Natur, um sich auf althergebrachte Weise zu Fuß oder mit dem Rad in der Landschaft herumzutreiben. Frische Luft ist gut für die Gesundheit und auch Bewegung schadet nicht – also dem Menschen. Die Tier- und Pflanzenwelt ist an dieser Stelle jedoch klar im Nachteil, denn der Ansturm auf Feldwege, Freiflächen, Wälder und Bachauen ist im Vergleich zu den Zeiten vor COVID-19 exponentiell angestiegen. Das Problem dabei ist, dass viele Mitbürger nicht mehr wissen, wie man sich in der freien Natur verhält. Vielen ist auch nicht bewusst, dass alles hinter dem Ortsschild freie Wildbahn ist und auch wenn der Mensch die Landschaft sehr geprägt hat, so handelt es sich bei den Arealen doch um die verbliebenen Lebensräume unserer wilden Tiere und Pflanzen. An die landwirtschaftlichen Aktivitäten haben sich die Tiere inzwischen weitgehend angepasst, an die umherziehenden Mitbürger jedoch nicht. Im Frühling, wenn die Natur sprichwörtlich erwacht und es draußen am schönsten ist, geht auch bei den Tieren die heiße, sprich arbeitsame Zeit los. Hier werden Nester gebaut, Eier gelegt, Jungtiere geworfen und großgezogen, Partnerschaften für´s Leben geschlossen, Futter heranbesorgt… Dort hinein platzen wir, lärmend, respektlos, ahnungslos. Wir dringen in Lebensräume ein und vertreiben ganze Arten oder verhindern mitunter das Heranwachsen einer neuen Generation. Dabei gibt es im Grunde 3 Arten von Ausflüglern:

1. Die Umsichtigen
2. Die Ahnungslosen
3. Die Rücksichtslosen

(laut eigener Erfahrung, es kann lokale Abweichungen geben).

Die erste Gruppe, eine relativ kleine Gruppe, schlendert gemächlich und achtsam durch die Landschaft, erfreut sich an der Umgebung und an den Tieren und Pflanzen, führt den Hund an der Leine und nimmt eventuell vorhandenen Verpackungsmüll vom Imbiss auf der Bank am Waldesrand wieder mit. Außerdem unterhält man sich in Zimmerlautstärke, bleibt auf befestigten Wegen und hinterlässt auch sonst keine bleibenden Spuren. Die zweite Gruppe, die Mehrheit, geht vor die Tür, weil es gerade nichts anderes gibt, womit man sich beschäftigen könnte. Man rennt durch die Gegend, schreit sich förmlich an, Hunde laufen natürlich frei und der Müll fliegt in die Büsche. Hierbei wird ohne Vorsatz gehandelt, man weiß es eben nicht besser. Die dritte Gruppe ist wieder relativ klein, verursacht aber den größten Schaden. Hier wird unter Vorsatz über Stock und Stein gelaufen oder gefahren, fernab der Wege und ohne Beachtung von Hinweisschildern den Naturschutz betreffend. Einige betreiben dabei auch „Sport“, entweder mit dem BMX-Rad quer durch Wälder und Landschaft oder gleich mit dem Motorrad oder Quad, weil das ja noch viel mehr Spaß macht. Dabei ist es gesetzlich verboten, im freien Gelände mit Kraftfahrzeugen zu fahren, wenn man kein Landwirt, Forstarbeiter oder sonstig Beauftragter mit Sondergenehmigung ist. Die Natur wird bei solchen Unternehmungen nachhaltig geschädigt. Oft werden alte Übungsplätze oder Kiesgruben für diese Aktivitäten ausgesucht. Interessanterweise sind genau das aber auch die Rückzugsgebiete für empfindliche oder spezialisierte Tierarten, die im Wirtschaftswald oder in ausgeräumten Ackerlandschaften nicht mehr leben können.

Motorräder im Landschaftsschutzgebiet…
Nisthöhlen von Uferschwalben in einer alten Kiesgrube

Ich möchte Sie aufrufen und von Herzen bitten:

  • Bewegen Sie sich leise und ruhig in freier Natur – so können Sie die meisten Tiere beobachten und sich an der schönen Aussicht am besten erfreuen. Lauschen Sie der Natur und nehmen Sie den Duft in sich auf.
  • Bleiben Sie auf befestigten Wegen. Auf freien Flächen können Bodenbrüter oder Kleinsäuger beheimatet sein, die Sie akut gefährden können, wenn Sie abseits der Wege gehen. Auf den Wegen selbst können allerlei Käfer, Spinnen oder in der Erde wohnende Bienen unterwegs sein. Setzen Sie Ihre Füße also bitte mit Bedacht.
  • Halten Sie Ihre Hunde an der Leine. Hunde können Wildtiere akut gefährden oder sogar töten. Abhängig von dem Gebiet in dem Sie sich bewegen, können dies besonders gefährdete Arten sein!
  • Fahren Sie keine Rennen mit dem Rad, scheuchen Sie die Tiere nicht auf. Dies verursacht einen hohen Energieverbrauch, den die Tiere bei Nahrungsknappheit nicht kompensieren und dann auch sterben können.
  • Nutzen Sie ein Fernglas, wenn Sie in freier Natur unterwegs sind, so können Sie Dinge entdecken oder beobachten, ohne ruhenden Tieren zu nahe kommen zu müssen.
  • Nehmen Sie Ihren Müll mit nach Hause und entsorgen Sie ihn dort. In freier Natur sieht Müll nicht nur hässlich aus, er kann auch Tieren und Pflanzen schaden (Plastik kann zum Ersticken oder zu Vergiftung/Verstopfung führen, Dosen können Schnittwunden hervorrufen, Glas kann Brände verursachen, wenn die Sonne darauf scheint…).
  • Reißen Sie keine Pflanzenteile ab, diese können giftig sein. Graben Sie keine Pflanzen aus, diese können besonders geschützt sein. Das Entfernen von Pflanzen und Pflanzenteilen aus freier Natur steht übrigens unter Strafe. Dazu gehört sogar – streng genommen – das Pflücken von Wildblumen, Gräsern und Weidenzweigen.
  • Nehmen Sie keine Tiere mit, zerstören Sie keine Nester von Vögeln und Insekten, lassen Sie alles so, wie es ist, auch wenn Ihnen etwas nicht gleich erklärlich erscheint. Erwachsene Tiere versuchen mitunter, den Menschen zu täuschen, um ihn von ihren versteckten Jungtieren abzulenken. Spielen Sie in dem Fall mit und tun Sie so, als würde die Täuschung wirken und entfernen Sie sich langsam, wenn ein Tier Sie „beschimpft“ oder merkwürdiges Verhalten zeigt. Das Entfernen von Tieren aus der Natur oder das Töten oder das bewusste Stören steht unter Strafe.
  • Entsorgen Sie keinen Schrott, Bau- oder Gartenabfälle in der Natur. Dies kann das Ökosystem empfindlich beeinfussen und ist daher ebenfalls strafbar.
  • Betreiben Sie Ihren BMX- oder Motorsport auf dafür angelegten Parcours- oder Rennstrecken.

Sollten Sie Kinder im lernfähigen Alter haben, können Sie von der Natur sogar noch etwas Wissen mit nach Hause nehmen, denn es gibt immer etwas zu sehen. Sie können Ihren Kindern Dinge zeigen, die Sie vielleicht noch aus Ihrer eigenen Kindheit kennen, spielerisch die verschiedenen Arten erkunden, im Bio-Unterricht Punkte für Ihre Kleinen sammeln und das Leben des Menschen in der Natur gewinnbringend verinnerlichen. Vielleicht können Sie mit Ihren Kindern gemeinsam auch an Aktionen teilnehmen, die dem Naturschutz dienen und die von regionalen Gemeinschaften angeboten werden, also Bäume pflanzen vielleicht oder eine Rasenfläche in einer Streuobstwiese pflegen oder sogar eine Streuobstwiese anlegen… Seien Sie kreativ und lernen Sie die Natur wieder kennen, nicht als Mittel zum Zweck, sondern als einen Ort der Entspannung, der Besinnung und vielleicht auch der Demut vor dem großen Ganzen.


Was man in der Natur beobachten kann? Hier ein paar Beispiele:

Waldameisen setzen einen alten Haufen instand.
Eine verträumte Landschaft am Bachlauf im Frühling
Junger Rehbock in der Abendsonne
Ein Kleiber hat eine fantastische Aussicht
Eine Teichralle auf dem Teich
Ein Rotmilan auf dem frisch gepflügten Acker

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